Außerdem gibt es mehrere Verwaltungsvorschriften. Diese sind:
- BMF-Schreiben vom 26.11.2010, BStBl. I 2010, 1342,
- BMF-Schreiben vom 28.11.2019, BStBl. I 2019, 1269, (GoBD - Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff).
Unternehmen mit Bargeldeinnahmen nutzen in der Regel der Buchführung vorgelagerte Systeme wie zum Beispiel Registrierkassen, Waagen mit Registrierkassenfunktion, PC-Kassensysteme und Taxameter. Diese Systeme unterliegen denselben Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten wie die eigentlichen Buchführungssysteme.
Der Einsatz dieser Technik hat eine Reihe von betriebswirtschaftlichen Vorteilen, ist allerdings auch mit Pflichten verbunden. Dieses Merkblatt soll einen Überblick verschaffen, um häufige Fehlerquellen in der Kassenbuchführung zu erkennen und zu vermeiden.
1. Grundsatz der Einzelaufzeichnungspflicht (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO)
Die Einzelheiten regelt der Anwendungserlass zur Abgabenordung (AEAO) zum § 146 AO, BMF-Schreiben vom 19.06.2018.
Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erfordern grundsätzlich die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls - also jeder Betriebseinnahme und Betriebsausgabe, jeder Einlage und Entnahme in einem Umfang, der einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit eine lückenlose Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts, seiner Entstehung und Abwicklung und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht. Das bedeutet nicht nur die Aufzeichnung der in Geld bestehenden Gegenleistung, sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Vertragspartners. Siehe auch Tz. 2.1.5 AEAO zu § 146.
Im Übrigen ergibt sich der Grundsatz der Einzelaufzeichnungspflicht aus den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften in § 22 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG). Er gilt nicht nur für Buchführungspflichtige, sondern auch für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln (Einnahmen-Überschuss-Rechner).
Wie detailliert die Einzelaufzeichnung zu erfolgen hat, leitet sich aus § 14 Abs. 4 UStG ab. Diese Vorschrift verlangt u. a. Angaben in der Rechnung über
- Namen und Anschrift des Leistungsempfängers,
- Art der Ware oder Leistung,
- verkaufte Menge,
- Preis und
- Umsatzsteuer.
Bei Kleinbetragsrechnungen unter 250 EUR siehe § 14 Abs. 6 UStG i. V. m. § 33 UStDV. Eine Verpflichtung zur einzelnen Verbuchung (im Gegensatz zur Aufzeichnung im Kassensystem) eines jeden Geschäftsvorfalles besteht dagegen nicht. Werden der Art nach gleiche Waren mit demselben Einzelverkaufspreis in einer Warengruppe zusammengefasst, wird dies nicht beanstandet, sofern die verkaufte Menge bzw. Anzahl ersichtlich bleibt. Dies gilt entsprechend für Dienstleistungen.
Des Weiteren sind für jeden Geschäftsvorfall die Zahlungsarten festzuhalten. Nur Barumsätze sind im Kassenbuch zu erfassen. Unbare Zahlungen (Kreditkarte/ EC-Umsätze etc.) sind separat abzubilden.
Kurzzeitige gemeinsame Erfassungen von baren und unbaren Tagesgeschäften im Kassenbuch sind nur dann nicht zu beanstanden, wenn die ursprünglich im Kassenbuch erfassten unbaren Tagesumsätze gesondert kenntlich gemacht sind und nachvollziehbar unmittelbar nachfolgend wieder aus dem Kassenbuch auf ein gesondertes Konto aus- bzw. umgetragen werden, soweit die Kassensturzfähigkeit der Kasse weiterhin gegeben ist (s. GoBD, Rz. 55).
2. Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht aus Zumutbarkeitsgründen (§ 146 Abs. 1 Satz 3 und 4 AO)
Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung gilt aus Zumutbarkeitsgründen die Einzelaufzeichnungspflicht nicht, wenn kein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet wird.
Die Zumutbarkeitsüberlegungen, die der Ausnahmeregelung nach § 146 Abs. 1 Satz 3 AO zugrunde liegen, sind grundsätzlich auch auf Dienstleistungen übertragbar. Für Dienstleistungen sind Einzelaufzeichnungen dagegen stets zu führen, wenn der Kundenkontakt in etwa der Dauer der Dienstleistung entspricht und der Kunde auf die Ausübung der Dienstleistung üblicherweise individuell Einfluss nehmen kann. Auf die Aufzeichnungserleichterung können sich Dienstleister – wie auch Einzelhändler – aber insoweit nicht berufen, als tatsächlich Einzelaufzeichnungen geführt werden (z. B. Termin-/Tischreservierung, Vorbestellung, Erfassung von Kundendaten etc. - siehe AEAO zur § 146, Nr. 2.2.6.).
Wird hingegen ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet, gilt die Einzelaufzeichnungspflicht unabhängig davon, ob das elektronische Aufzeichnungssystem nach § 146a Abs. 3 AO i. V. m. der Kassensicherungsverordnung mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung zu schützen ist.
Verwendet der Steuerpflichtige eine offene Ladenkasse sowie eine Waage, die lediglich das Gewicht und/oder den Preis anzeigt und über die Dauer des einzelnen Wiegevorgangs hinaus über keine Speicherfunktion verfügt, wird es nicht beanstandet, wenn die o. g. Einzeldaten der Waage nicht aufgezeichnet werden. Erfüllt die Waage hingegen die Voraussetzung einer elektronischen Registrierkasse, gilt für dieses elektronische Aufzeichnungssystem die Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht nicht (§ 146 Abs. 1 Satz 4 AO).
3. Einsatz von offenen Ladenkassen
Eine »Registrierkassenpflicht« besteht nicht. Es ist auch zulässig, eine offene Ladenkasse zu führen. Bei der offenen Ladenkasse sind jedoch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung mit hohem Aufwand verbunden. Auch hier ist die Aufzeichnung eines jeden einzelnen Handelsgeschäftes mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls grundsätzlich erforderlich.
Ist die Einzelaufzeichnung gem. Tz. 2 nicht zumutbar, müssen die Bareinnahmen anhand eines sogenannten Kassenberichts nachgewiesen werden.
Auch bei einem Kassenbericht müssen die erklärten Betriebseinnahmen auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfbar sein (BFH-Beschluss vom 13.03.2013 Az. X B 16/12). Für die Anfertigung eines Kassenberichts ist der gesamte geschäftliche Bargeldendbestand einschließlich Hartgeld – unabhängig vom Aufbewahrungsort des Geldes (z. B. Tresorgeld, Handkassen der Kellner, Wechselgeld, Portokasse etc.) – täglich zu zählen. Der Kassenendbestand ist sodann rechnerisch um die Entnahmen und Ausgaben zu erhöhen und um die Einlagen und den Kassenanfangsbestand zu mindern, so dass sich im Ergebnis die Tageseinnahmen ergeben (retrograde Ermittlung). Bei mehreren Kassen müssen die Kassenberichte einzeln und der Bargeldbestand der jeweiligen Kasse zuordenbar sein.
Rundungen oder Schätzungen sind unzulässig. Ein Zählprotokoll ist nicht zwingend erforderlich (BFH-Beschluss vom 16.12.2016 X B 41/16), dient aber als zusätzlicher Nachweis der vollständigen Ermittlung der Einnahmen. Wird jedoch ein Zählprotokoll erstellt und für die Einnahmenermittlung verwendet, ist es aufzubewahren.
Die Ausgaben, Einnahmen, Entnahmen und Einlagen (einschl. Herkunftsnachweis) sind durch Belege (ggf. Eigenbelege) nachzuweisen.
Nur ein in dieser Weise erstellter Kassenbericht ist zulässig und ordnungsgemäß.
Mit Standardsoftware (z. B. Office-Programmen) erstellte Tabellen entsprechen nicht dem Grundsatz der Unveränderbarkeit. Am Markt erhältliche Software wird nur dann als ordnungsgemäß anerkannt, wenn eine nachträgliche Änderung nicht möglich ist oder mit einem entsprechenden Vermerk gekennzeichnet wird.
4. Einsatz elektronischer Registrierkassen
Seit 1.1.2017 (BMF-Schreiben vom 26.11.2010, BStBl. I 2010, 1342) dürfen nur noch solche elektronischen Registrierkassen verwendet werden, die eine komplette Speicherung aller steuerlich relevanten Daten – insbesondere Journal-, Auswertungs-, Programmier- und Stammdatenänderungsdaten (z. B. Artikelpreisänderungen; Nutzerkennung) – ermöglichen (BFH vom 16.12.2014, BStBl. II 2015, 519).
Gerade im Hinblick auf dieses BMF-Schreiben ist darauf zu achten, dass die oben genannten Informationen des Kassensystems vollständig und unveränderbar in digitaler Form aufbewahrt werden. Bei Umstellung auf ein neues System wird empfohlen, die »Alt-Kasse« weiterhin aufzubewahren.
Fehlen Programmierungsunterlagen bzw. Protokolle nachträglicher Programmänderungen, stellt dies einen schweren formellen Mangel der Buchführung dar (BFH-Urteil vom 25.03.2015, BStBl. II 2015, 743).
Es müssen alle Einzeldaten (Journaldaten, Stamm-, Auswertungs- und Programmierdaten sowie deren Änderungsdaten), die durch die Nutzung der Kasse entstehen, während der Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren
- jederzeit verfübar,
- unverzülich lesbar und
- maschinell auswertbar
- aufbewahrt werden.
5. Verfahrensdokumentation
Die Verfahrensdokumentation zu den eingesetzten Aufzeichnungssystemen, dazugehörige Handbücher, Bedienungs- und Programmieranleitungen sowie die Dokumentation der Betriebsabläufe sind vorzuhalten.
6. Datenzugriffsrecht
Der Finanzverwaltung steht nach § 147 Abs. 6 AO bezüglich der digitalen, aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Kassendaten im Rahmen einer Außenprüfung das Recht auf Datenzugriff zu. Hier kann im Rahmen des unmittelbaren oder mittelbaren Datenzugriffs Einsicht am Kassensystem vorgenommen oder eine Datenträgerüberlassung verlangt werden.
Für die Datenträgerüberlassung sind alle erforderlichen Daten auf einem maschinell auswertbaren Datenträger (z. B. CD, DVD, USB-Stick) zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen muss also selbst dafür sorgen, dass die Einzeldaten mit allen Strukturinformationen in der Kasse nicht nur gespeichert, sondern auch exportiert und in einem für das Finanzamt lesbaren Format zur Verfügung gestellt werden können.
Dies gilt auch für Daten, die sich bei Dritten befinden (z. B. Rechenzentrum, Cloud).
7. Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen
Am 29.12.2016 wurde das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen veröffentlicht (BStBl. 2017 I, S. 21). Danach ergeben sich weitere Anforderungen an die Kassenaufzeichnungen eines Unternehmers (§§ 146a, 146b AO). Welche elektronischen Aufzeichnungssysteme über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen müssen, wird durch die Kassensicherungsverordnung (KassenSichV – BStBl. 2017 I, S. 1310) geregelt.
8. Kassensicherungsverordnung
Durch das o. g. Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen wurde zugleich auch die Grundlage für eine Rechtsverordnung geschaffen, welche die neuen Anforderungen an elektronische Kassenaufzeichnungen präzisiert.
In der Kassensicherungsverordnung (BMF v. 26.09.2017, BStBl. 2017 I, S 1310) ist geregelt, wie die zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestaltet sein muss. Sie besteht grds. aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle.
Näheres hierzu wurde im BMF-Schreiben vom 17.06.2019 (AEAO zu § 146a - Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme) beschrieben.
Sicherheitstechnische Details hierzu sind in den Technischen Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) enthalten, maßgeblich TR-03153, TR-03151, TR-03116 u. a. (www.bsi-bund.de).
Die TSE ist ab 01.01.2020 verpflichtend, in Ausnahmefällen ab 01.01.2023 einzusetzen (Übergangsregelung s. obige Tabelle zu § 146a Abs.1 AO). Nichtbeanstandungs- und Billigkeitsregelungen zum späteren Einsatz einer TSE sind zum 30.09.2020 bzw. zum 31.03.2021 ausgelaufen (BMF vom 06.11.2019, Erlass FM BW vom 10.07.2020). Darüber hinaus gehende Erleichterungen sind nur nach Bewilligung durch die Finanzverwaltung auf Einzelantrag gem. § 148 AO möglich. Voraussetzung hierfür ist, dass der Einsatz der TSE eine detailliert nachzuweisende unbillige Härte mit sich bringt. Nähere Informationen hierzu sind auf der Homepage der OFD Karlsruhe verfügbar (siehe 11. Weitere Informationen). Die Belegausgabepflicht nach § 146a Absatz 2 AO bleibt hiervon unberührt (s. Nr. 9).
Es wird darauf hingewiesen, dass Kassensysteme, welche nicht mit einer TSE aufgerüstet werden können, ab dem 01.01.2020 nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen (Vertriebsverbot). Nicht aufrüstbare PC-Kassensysteme dürfen ab dem 01.01.2020 nicht mehr eingesetzt werden.
Von der Mitteilung nach § 146a Abs. 4 AO ist bis zum Einsatz einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit abzusehen. Der Zeitpunkt des Einsatzes der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
9. Kassen-Nachschau (§ 146b AO)
Ein Kontrollinstrument der Finanzverwaltung ist die Kassen-Nachschau. Sie dient der Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit von Kassenaufzeichnungen (Kasseneinnahmen, Kassenausgaben). Ein Amtsträger kann unangekündigt – während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten – die Geschäftsgrundstücke und Geschäftsräume betreten.
Der Kassen-Nachschau unterliegen u. a. elektronische oder computergestützte Kassensysteme, App-Systeme, Waagen mit Registrierkassenfunktion, Taxameter, Wegstreckenzähler, Geldspielgeräte und offene Ladenkassen.
Bei der Kassen-Nachschau dürfen Daten des elektronischen Aufzeichnungssystems durch den Amtsträger eingesehen werden. Auch kann die Übermittlung von Daten auf einem maschinell auswertbaren Datenträger verlangt werden.
Einzelheiten regelt der AEAO zu § 146b, BMF-Schreiben vom 29.05.2018.
Mit einer Prüfsoftware werden durch die Finanzverwaltung TSE-Zertifikate geprüft, Signaturen validiert sowie Kassendaten kontrolliert und mit den TSE-Daten abgeglichen.
Mit der Möglichkeit der elektronischen Übermittlung der Meldung über den TSE-Einsatz (§ 146a Abs. 4 AO) kann damit auch eine schnelle Abfrage erfolgen, ob das elektronische Aufzeichnungssystem und die TSE ordnungsgemäß bei der Finanzverwaltung gemeldet sind.
10. Folgen von Mängeln
Ist die Kassenführung nicht ordnungsgemäß, hat dies den Verlust der Ordnungsmäßigkeit der gesamten Buchführung zur Folge.
11. Weitere Informationen
- Fragen- und
Antwortenkatalog auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums (Orientierungshilfe zum § 146a AO)
- Merkblatt
der Oberfinanzdirektion zur Belegausgabepflicht (PDF)
- Merkblatt
der Oberfinanzdirektion zur Kassenführung der Taxi- und Mietwagenbranche (PDF)
- Homepage der Oberfinanzdirektion Karlsruhe
- Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) FAQ